
Maurice Ravel – La valse / Poème chorégraphique für Orchester
Barbara Assiginaak – Eko-Bmijwang (Aussi longtemps que la rivière coule)
Camille Saint-Saëns – Konzert für Klavier und Orchester Nr. 2 g-Moll op. 22
Zugabe:
Isoldes Liebestod »Mild und leise wie er lächelt« /
aus der Oper »Tristan und Isolde« WWV 90
(Bearbeitung für Klavier von Zoltan Kocsis)
(Pause)
Piotr I. Tschaikowsky – Sinfonie Nr. 6 h-Moll op. 74 »Pathétique«
Orchestre Métropolitain de Montréal
Alexandre Kantorow – Klavier
Dirigent – Yannick Nézet-Séguin
Vor der Zugabe dachte ich noch: Kannste ja mal zur Abwechslung den Text zur ersten Halbzeit flink in der Pause tippen – Spitzenkonzert, dies und jenes Detail hervorheben, Kantorow für seine Technik in den Himmel loben, fertig. Und dann haut der gute Mann als Zugabe (wieder! (Link)) den Liebestod raus, so dass ich jetzt erst mal meine Murmeln sortieren muss.
Also hübsch der Reihe nach: La Valse ist vielleicht mein Lieblingsstück von Ravel und ich freue mich jedesmal wie ein kleines Kind, wenn diese elegante Monstrosität auf dem Programm steht. Nézet-Séguin erarbeitet mit seinen Landsleuten eine absolut schlüssige, fließend-transparente, kontrastreiche Interpretation mit Verve und Wumms, ohne es dabei vollends in Sachen Schärfe ausarten zu lassen. Ich kann damit wunderbar leben, auch wenn ich das Stück gern mal ein paar Schritte dichter zum Rande der Auflösung präsentiert bekomme. Es stellte sich heute wieder – wie schon bei meinen letzten Konzerten auf diesem Platz – ein bisschen die Frage, ob die Position immer noch mein bevorzugter Fleck in der Elphi ist, oder ob ich selbst bei solch groß besetzten Werken lieber näher am Geschehen wäre. Das Pendel schlägt wohl wie beim Mahler unter Mäkelä (Link) und van Zweden (Link) Richtung Letzteres aus. Aber wie bereits oft konstatiert, ein sehr transparenter, ausgewogener Klang dort, gerade bei leisen Stellen.
Das zweite Stück des Abends von Frau Assiginaak ruft leichte Appalachian Spring Vibes hervor. Indigenes Colorit, zum Teil ungewöhnliche Klangeffekte (mit Papier rascheln), generell viel Perkussion, insgesamt ein eher tonal gehaltenes, sehr zugängliches Werk.
Das zweite Klavierkonzert von Saint-Saëns ist mir recht gut bekannt, vollends warm werde ich wohl nie damit: Den ersten und dritten Satz empfinde ich als wunderbar, aber das kumpelig-schunkelige Thema des zweiten geht leider gar nicht. Das hat eine "Qualität", die Eumel zum Mitsummen einlädt … da bin ich komplett raus. Kantorow wie beim letzten Mal phänomenal, an manchen Stellen scheint es, als widersprächen seine Handbewegungen den Gesetzen der Physik – quasi ein glitch in der Matrix – eine im wahrsten Sinne für Ohr und vor allem Auge unfassbare Geschwindigkeit. Und dann halt die Zugabe. Der vielleicht beste Liebestod am Klavier, obwohl er die finale Steigerung superschnell nimmt, was eigentlich so gar nicht meinem Geschmack entspricht. Schwere Gedanken umwölken meine Sinne. Wir werden alle sterben, haben liebe Menschen verloren und werden weitere verlieren, aber auch das ist das Leben. Und es ist es wert.
Zum Abschluss Tschaikowsky – vielleicht die beste Sechste ever. Hatte nicht so richtig Bock drauf, Nézet-Séguin belehrt mich eines Besseren. Richtig Oooomph, lehnt/hängt sich wortwörtlich und im übertragenen Sinne rein. Artikulation sehr pointiert, dabei nie hart, immer organisch, trotzdem starke Kontraste in Dynamik (erster Satz ersterbende Holzbläser und dann Schlag auf die Omme), ppp zum Lufanhalten, oder Tempo (Mordsantritt dritter Satz,) treibt die Streicher zum Expressivsten, aber nicht kitschig, ehrlich tiefe Emotionen, Sehnsucht, Verzweiflung. Wenn das Hauptthema des Kopfsatzes erklingt, zerfließt man wie Butter. Dritter Satz Hammer!mässig. Mehr Trotz geht nicht. Den Finalsatz hatte ich nicht so stark in Erinnerung. Nicht nur Wehmut, sondern auch Kampf und Dampf. Choralstelle mit Posaunen und Tuba unanfechtbar. Solohorn topp! Zweiter Satz strotzt vor Eleganz, aber von der Komposition her nicht so meins. Standing ovations. Im nicht enden wollenden Jubel besucht Nézet-Séguin noch mal alle Stimmführer einzeln und geht vor ihnen auf die Knie. Klingt theatralisch, kam aber spürbar von Herzen: der Mann aus Montreal und seine Mitmusiker aus Montreal – eine magische Verbindung.