29. Juni 2025

Symphoniker Hamburg – Sylvain Cambreling.
Laeiszhalle Hamburg.

19:00 Uhr, Parkett Rechts, Reihe 6, Platz 15


Olivier Messiaen – Des canyons aux étoiles ... 
für Klavier, Horn, Xylorimba, Glockenspiel und Orchester

Nach dem Konzert: Martha Argerich, Adrian Iliescu, 
Clara-Jumi Kang, Timothy Ridout, Jing Zhao: 
Robert Schumann – Klavierquintett Es-Dur op. 44


Symphoniker Hamburg
Lucie Krysatis – Horn
Matthias Kessler – Glockenspiel
Alexander Radziewski – Xylorimba
Joonas Ahonen – Klavier
Dirigent – Sylvain Cambreling



Es ist wirklich nicht zu unterschätzen, wie sehr der Kenntnisstand über ein Werk dessen Aufnahme beim Liveerlebnis beeinflusst. Klingt nach Binsenweisheit, wurde mir heute aber bei Messiaens auf den ersten Blick alles andere als eingängigem Lobpreis der Natur nur allzu deutlich bewusst, das ich von den Symphonikern Hamburg unter ihrem Chefdirigenten erstmalig im Konzertsaal präsentiert bekam. Spätestens nachdem ich vor etwa einem Jahr der unvergesslichen Aufführung seiner Oper „Saint François d’Assise“ in der Elphi (Link) beiwohnen durfte, ist der Drang erwachsen, sich mit dem Gesamtwerk des frommen Vogelkundlers über „Turangalîla“ und „Quatuor pour la fin du temps“ hinaus zu beschäftigen. Wo ich bei vielen seiner Orgelwerke sehr schnell einen Zugang gefunden habe, war der erste Kontakt mit seinem umfangreichsten Orchesterwerk „Des Canyons aux étoiles ...“ eher ernüchternd. Begeistert die Turangalîla-Sinfonie vom Start weg mit einem Feuerwerk aus Rhythmik, Groove und Klangzauber, erschien mir die transzendentale Wanderung durch die nordamerikanische Wildnis anfangs unzugänglich, ja spröde und karg. Doch nach wochenlanger, konsequent wiederholter Beschäftigung mit der Komposition auf YouTube grinse ich auf dem Heimweg in mich hinein, weil Ohrwürmer vom Konzert nachhallen.

Ganz gleich ob mehrstündige Oper, große Sinfonie oder Liederzyklus, ob Barock, Spätromantik oder Moderne, in der Musik ist es wie mit eigentlich allen Leidenschaften – je mehr man „investiert“, desto mehr bekommt man auch zurück. In diesem Falle eben eine Komposition, die ich nach flüchtiger Betrachtung wohl als sperrig hinten angestellt hätte, durch die Saisonplanung der Symphoniker Hamburg nun nicht mehr missen möchte. Es ist faszinierend, wie sich das Ohr an komplexe Strukturen und ein Material jenseits eingängiger Melodien gewöhnen kann, wenn man ihm Zeit lässt. Und das nicht mit dem Ergebnis einer nüchternen Betrachtung oder Analyse, sondern direkter emotionaler Ansprache. „Des Canyons aux étoiles ...“ ist ein Werk voller Klangschönheiten bis hin zu unmittelbaren Naturillustrationen (Windmaschine, Donnerblech), seine in vielerlei Gestalt wiederkehrenden Themen erzeugen Staunen und berühren. Der immer wieder choralartig eingesetzte Bläsersatz hat es mir genauso angetan wie beispielsweise die lange Solohornpassage, eine ausdrucksstarke Klage mit wirklich allen Mitteln, die dem Instrument gegeben sind. Der Einsatz des Soloklaviers, vor allem in der Verarbeitung des thematischen Materials und (Neu-)Kombination, unter anderem mit den bei Messiaen fast schon obligatorischen Vogelstimmen, ist eine einzigartige Reise für sich, die den Fluss des großen Ganzen durchwebt.

Ich bin Sylvain Cambreling und seinem Orchester sehr dankbar, diesen aus Messiaens tiefem Glauben gespeisten Hymnus an die Schöpfung in solch vollendeter Weise zum ersten Mal live erlebt haben zu dürfen. Dass diese Aufnahme keinesfalls eine Selbstverständlichkeit ist, konnte man an den nicht wenigen schmerzlich beobachten, welche die „Gelegenheit“ zwischen den Sätzen nutzen, die Flucht zu ergreifen – womit wir wieder beim Anfang wären: von nichts kommt nichts, im Leben wie in der Musik. Ich jedenfalls war nach dieser Live-Premiere derart beseelt, dass ich auf das anschließende Schumann- Quintett mit Frau Argerich verzichtet habe. Wahrscheinlich als „Belohnung“ für all jene gedacht, die den Messiaen „durchgehalten“ haben, hat diese Zugabe für mich in der Stimmung einfach nicht gepasst. Trotzdem eine tolle Idee der Symphoniker, auch auf diese Art (Klang-)Welten zu verbinden.