4. Mai 2017

Wiener Philharmoniker – Herbert Blomstedt.
Konzerthaus Berlin.

20:00 Uhr, 1. Rang links, Reihe 1, Platz 31



Ludwig van Beethoven – Klavierkonzert Nr. 3 c-Moll op. 37
(Kit Armstrong)

(Pause)

Anton Bruckner – Sinfonie Nr. 4 Es-Dur



Spätestens nach diesem Konzert habe ich ein ganz konkretes Vorbild in Bezug auf die Zielgerade meines Aufenthaltes hier auf Erden – Herbert Blomstedt. Ganz gleich, wie viele Runden diesem Pult-Urgestein noch vergönnt sein mögen, aber wenn man mit knapp 90 Jahren die Bühne noch so flotten Schrittes betritt, und einen dicken Schinken wie Bruckner, mehr als eine Stunde ohne Pause stehend, mit vollem Körpereinsatz immer noch frei aus dem Gedächtnis den Wiener Kollegen zu entlocken vermag, hat man eine ganze Menge im Leben richtig gemacht. Oder extrem gute Gene. Oder absolut keinen Bock auf die Rente. Wahrscheinlich von allem etwas. Auf jeden Fall hat dieser Mann richtig Spaß bei dem was er tut, das merkt man auch mit weitaus weniger Lebenserfahrung.

Energie, Körperspannung, ungebrochener Drang nach Gestaltung. Während beim Beethoven vielleicht noch etwas wie Altersmilde angedichtet werden könnte – eher breite Tempi dominieren eine runde, aber keineswegs konturlose Lesart – findet sich in Blomstedts Bruckner keine Spur davon. Vielleicht auch bedingt durch das makellose, insgesamt aber etwas harmlose Spiel Armstrongs, ergibt sich ein bemerkenswerter Kontrast zwischen den beiden Konzerthälften. Ging es im Klavierkonzert noch beschaulich-elegant zu, sollte nach der Pause eine Demonstration von Saft und Kraft folgen. Diese „Romantische“ ist kein naiv-verträumtes blaues Blümelein, sondern eine mächtige Eiche, die in ihrer ganzen Pracht das Leben feiert. Eine trutzige Burg, deren Mauern im Sonnenschein strahlen, keine nebelumwaberte Zinne als Projektionsfläche verklärter Sehnsucht. Mehr Walhall als Monsalvat.

Es wäre spannend, den Mitteln Blomstedts nachzuforschen, durch die er die Sinfonie in dieses unerschütterlich optimistische Licht frei von allem Zweifelnden, Brütenden taucht, wie es Bruckner sonst so oft anhaftet. Gut, die Vierte ist – welch Erkenntnis – nicht die Siebte, Achte oder gar Neunte. Trotzdem ist es schon ungewöhnlich, wie selbstsicher und geerdet das Ganze rüberkommt, ohne dabei profan zu wirken. Leider war ich allzu sehr mit Staunen beschäftig, um viel über die Details der Interpretation sagen zu können. Auf jeden Fall gab es immer wieder Momente, namentlich im ersten und vierten Satz, bei denen Blomstedt Steigerungen durch ziemlich forsche Tempozunahme etwas extrem Mitreißendes, Zwingendes gab, das keinen Widerspruch duldete. Klingt erst mal banal, ist sicher auch nur ein kleines Mosaiksteinchen einer Herangehensweise, die ohne Zweifel als ebenso schlüssig wie konsequent bezeichnet werden kann.

Bleibt nur zu hoffen, dass uns jenes schelmische Lächeln und das, was es bewirkt, noch möglichst lange erhalten bleibt.