20:00 Uhr, Etage 13, Bereich I, Reihe 2, Platz 5
Franz Schubert –
Ouvertüre C-Dur „im italienischen Stil“ D 591
Ausgewählte Lieder in Orchesterbearbeitungen:
An Silvia D 891 (Bearbeitung: Alexander Schmalcz)
Des Fischers Liebesglück D 933 (Schmalcz)
Das Heimweh D 456 (Schmalcz)
Ganymed D 544 (Schmalcz)
Die Forelle D 550 (Benjamin Britten)
Alinde D 904 (Schmalcz)
Zugabe: Abendstern D806
(Matthias Goerne – Bariton)
(Pause)
Sinfonie Nr. 8 C-Dur D 944 „Große C-Dur-Sinfonie“
Zugabe:
Ludwig van Beethoven – Ouvertüre zu „Die Geschöpfe des Prometheus“ op.43
Wer ist dümmer – das Paar, das die falschen Plätze eingenommen hat oder jenes, das verdutzt bei den Erstbesetzern abblitzt, während der Dirigent bereits die Bühne betritt? Last Minute mag für Malle funktionieren, in der Elbphilharmonie steht man dann da wie bestellt und nicht abgeholt. Glück für das Depp-Quartett, dass der erste Programmpunkt nur fünf Minuten dauert, und man danach vom freundlichen Saalpersonal bedient wird.
Schubert macht den Rossini, das ist ein nettes Stückchen zum Eingrooven, wobei ich bezweifle, dass dieses famose Orchester wirklich erst auf Betriebstemperatur kommen muss, um seinen feinen, transparenten Klang zur Entfaltung zu bringen. Der Chef am Pult löst die italienische Esprit-Aufgabe mit federnder Eleganz und klarer Kante – typisch Järvi eben.
Die anschließenden Orchesterlieder ermöglichen das nächste Treffen mit der wahrscheinlich schönsten Baritonstimme des Planeten. Meine letzte Eloge auf Matthias Goerne (Link) liegt erst etwas mehr als einen Monat zurück, und ich habe meiner Schwärmerei heute nichts hinzuzufügen, außer der abermaligen Feststellung seiner Einzigartigkeit. Die Bearbeitungen der Lieder funktionieren übrigens wunderbar, Järvi und sein Ensemble stellen der überirdischen Stimme zarteste Orchesterminiaturen zur Seite in denen die Musiker auch solistisch zu überzeugen wissen – etwa im Lied „Heimweh“, in dem erst Englischhorn, dann Viola und schließlich Querflöte die sehsüchtige Weise aufnehmen. Mit der Zugabe – Abendstern – breiten Goerne und seine Begleiter noch einmal die Summe dessen vor den Zuhörern aus, was die Kunstform Lied so ergreifend macht: Intimität und Intensität – ganze Welten komprimiert in Minuten.
Mit dem ersten butterweichen Horneinsatz ist nach der Pause sofort klar, dass Järvi und seine Truppe auch den sinfonischen Teil des Abends veredeln werden. Offenbart die „Große C-Dur“ immer wieder die Vorbildfunktion Beethovens für Schubert, etwa in den laut-leise Effekten zu Beginn oder dem pochenden Dreiermotiv im Finale sowie dessen generellem, stürmischem Charakter, ist es weit interessanter, den Eigenheiten Schuberts in diesem Werk nachzugehen, die wiederum ihrerseits Einfluss auf die Fortentwicklung der Sinfonik hatten. Insbesondere für Bruckner muss sein Landsmann wirklich prägend gewesen sein, immer wieder fühle ich mich im Werk des jung Verstorbenen an die Arbeit des spät Berufenen erinnert. Namentlich der sicher mit der Ausdehnung der Sätze, aber ebenso ihrem strukturellen Aufbau verbundene Effekt, von einem Plateau auf das nächste gehievt zu werden, tritt schon bei Schubert zu Tage.
Welche Steigerung wohnt doch dem zweiten Satz inne, und wie Atem raubend wird diese aufgelöst – mit einem Flüstern nach der Eruption. Dynamische Kontrastwirkungen scheinen Järvi besonders zu liegen, sein Kammerorchester entfesselt dabei Energien und erzielt Wirkungen, die sich in der Wahrnehmung absolut mit „ausgewachsenen“ Orchestern messen lassen können. Es kommt eben bei dem subjektiv wahrgenommenen Bumms – wie bereits oft beobachtet – nur bedingt auf die reine Lautstärke an, sondern auf die Summe vieler Faktoren, darunter der Umgang mit Lautstärkeverhältnissen oder die Artikulation. Schade, dass ich an dieser Stelle gedanklich nochmal gegen den NDR nachtreten muss, mit dem Järvi Schostakowitschs Siebte weit weniger beeindruckend präsentierte.
Der dritte Satz steht gleichsam für Bruckner Pate, genauer für dessen Starkstrom-Scherzi. Die Kammerphilharmonie hier wunderbar knackig bis ruppig, gleichzeitig betont Järvi eine prägnante Wendung darin mit solch einer Verzögerung, als wolle er gleich zum Schunkeln übergehen. Besonderer Ohrenschmaus: das perfekte, wohlig-weiche Zusammenspiel der Posaunen und Hörner – ein perfektes Klang-Amalgam. Das Finale gestaltet sich als pure Energieexplosion, überbordender Elan bei technischer Brillanz. Spannend die Stelle, in der Järvi bei dem ganzen Stürmen und Drängen einmal ordentlich auf die Bremse tritt – die stampfende fanfarenartige Passage erhält dadurch ein ordentliches Gewicht – richtig fett, könnte man neudeutsch konstatieren.
Als Zugabe wird das große sinfonische Vorbild Schuberts selbst auf die Bühne gebeten – die Prometheus-Ouvertüre bildet, bekrönt von Naturtrompeten anstelle ihrer Ventil-Geschwister, den elektrisierenden Abschluss für ein Konzert ohne einen einzigen schwachen Takt.
Memo an mich: warum kollabieren eigentlich so viele Leute in der Elphi? Ist es der steile Aufstieg am Anfang, der den älteren Herrschaften dann im Konzert den Blutdruck zerhaut? Heute gab’s schon wieder Tumult, entweder ist mir das früher in der Laeiszhalle einfach nicht aufgefallen oder die Elphi lässt tatsächlich vermehrt die Sinne schwinden – allein bei meinen Besuchen nun schon zum vierten oder fünften Mal.
Ausgewählte Lieder in Orchesterbearbeitungen:
An Silvia D 891 (Bearbeitung: Alexander Schmalcz)
Des Fischers Liebesglück D 933 (Schmalcz)
Das Heimweh D 456 (Schmalcz)
Ganymed D 544 (Schmalcz)
Die Forelle D 550 (Benjamin Britten)
Alinde D 904 (Schmalcz)
Zugabe: Abendstern D806
(Matthias Goerne – Bariton)
(Pause)
Sinfonie Nr. 8 C-Dur D 944 „Große C-Dur-Sinfonie“
Zugabe:
Ludwig van Beethoven – Ouvertüre zu „Die Geschöpfe des Prometheus“ op.43
Wer ist dümmer – das Paar, das die falschen Plätze eingenommen hat oder jenes, das verdutzt bei den Erstbesetzern abblitzt, während der Dirigent bereits die Bühne betritt? Last Minute mag für Malle funktionieren, in der Elbphilharmonie steht man dann da wie bestellt und nicht abgeholt. Glück für das Depp-Quartett, dass der erste Programmpunkt nur fünf Minuten dauert, und man danach vom freundlichen Saalpersonal bedient wird.
Schubert macht den Rossini, das ist ein nettes Stückchen zum Eingrooven, wobei ich bezweifle, dass dieses famose Orchester wirklich erst auf Betriebstemperatur kommen muss, um seinen feinen, transparenten Klang zur Entfaltung zu bringen. Der Chef am Pult löst die italienische Esprit-Aufgabe mit federnder Eleganz und klarer Kante – typisch Järvi eben.
Die anschließenden Orchesterlieder ermöglichen das nächste Treffen mit der wahrscheinlich schönsten Baritonstimme des Planeten. Meine letzte Eloge auf Matthias Goerne (Link) liegt erst etwas mehr als einen Monat zurück, und ich habe meiner Schwärmerei heute nichts hinzuzufügen, außer der abermaligen Feststellung seiner Einzigartigkeit. Die Bearbeitungen der Lieder funktionieren übrigens wunderbar, Järvi und sein Ensemble stellen der überirdischen Stimme zarteste Orchesterminiaturen zur Seite in denen die Musiker auch solistisch zu überzeugen wissen – etwa im Lied „Heimweh“, in dem erst Englischhorn, dann Viola und schließlich Querflöte die sehsüchtige Weise aufnehmen. Mit der Zugabe – Abendstern – breiten Goerne und seine Begleiter noch einmal die Summe dessen vor den Zuhörern aus, was die Kunstform Lied so ergreifend macht: Intimität und Intensität – ganze Welten komprimiert in Minuten.
Mit dem ersten butterweichen Horneinsatz ist nach der Pause sofort klar, dass Järvi und seine Truppe auch den sinfonischen Teil des Abends veredeln werden. Offenbart die „Große C-Dur“ immer wieder die Vorbildfunktion Beethovens für Schubert, etwa in den laut-leise Effekten zu Beginn oder dem pochenden Dreiermotiv im Finale sowie dessen generellem, stürmischem Charakter, ist es weit interessanter, den Eigenheiten Schuberts in diesem Werk nachzugehen, die wiederum ihrerseits Einfluss auf die Fortentwicklung der Sinfonik hatten. Insbesondere für Bruckner muss sein Landsmann wirklich prägend gewesen sein, immer wieder fühle ich mich im Werk des jung Verstorbenen an die Arbeit des spät Berufenen erinnert. Namentlich der sicher mit der Ausdehnung der Sätze, aber ebenso ihrem strukturellen Aufbau verbundene Effekt, von einem Plateau auf das nächste gehievt zu werden, tritt schon bei Schubert zu Tage.
Welche Steigerung wohnt doch dem zweiten Satz inne, und wie Atem raubend wird diese aufgelöst – mit einem Flüstern nach der Eruption. Dynamische Kontrastwirkungen scheinen Järvi besonders zu liegen, sein Kammerorchester entfesselt dabei Energien und erzielt Wirkungen, die sich in der Wahrnehmung absolut mit „ausgewachsenen“ Orchestern messen lassen können. Es kommt eben bei dem subjektiv wahrgenommenen Bumms – wie bereits oft beobachtet – nur bedingt auf die reine Lautstärke an, sondern auf die Summe vieler Faktoren, darunter der Umgang mit Lautstärkeverhältnissen oder die Artikulation. Schade, dass ich an dieser Stelle gedanklich nochmal gegen den NDR nachtreten muss, mit dem Järvi Schostakowitschs Siebte weit weniger beeindruckend präsentierte.
Der dritte Satz steht gleichsam für Bruckner Pate, genauer für dessen Starkstrom-Scherzi. Die Kammerphilharmonie hier wunderbar knackig bis ruppig, gleichzeitig betont Järvi eine prägnante Wendung darin mit solch einer Verzögerung, als wolle er gleich zum Schunkeln übergehen. Besonderer Ohrenschmaus: das perfekte, wohlig-weiche Zusammenspiel der Posaunen und Hörner – ein perfektes Klang-Amalgam. Das Finale gestaltet sich als pure Energieexplosion, überbordender Elan bei technischer Brillanz. Spannend die Stelle, in der Järvi bei dem ganzen Stürmen und Drängen einmal ordentlich auf die Bremse tritt – die stampfende fanfarenartige Passage erhält dadurch ein ordentliches Gewicht – richtig fett, könnte man neudeutsch konstatieren.
Als Zugabe wird das große sinfonische Vorbild Schuberts selbst auf die Bühne gebeten – die Prometheus-Ouvertüre bildet, bekrönt von Naturtrompeten anstelle ihrer Ventil-Geschwister, den elektrisierenden Abschluss für ein Konzert ohne einen einzigen schwachen Takt.
Memo an mich: warum kollabieren eigentlich so viele Leute in der Elphi? Ist es der steile Aufstieg am Anfang, der den älteren Herrschaften dann im Konzert den Blutdruck zerhaut? Heute gab’s schon wieder Tumult, entweder ist mir das früher in der Laeiszhalle einfach nicht aufgefallen oder die Elphi lässt tatsächlich vermehrt die Sinne schwinden – allein bei meinen Besuchen nun schon zum vierten oder fünften Mal.