30. April 2018

Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks –
Mariss Jansons. Elbphilharmonie Hamburg.

20:00 Uhr, Etage 13, Bereich I, Reihe 4, Platz 3



Gustav Mahler – Sinfonie Nr. 7


Als eifriger Programmheftleser und -sammler hat man es ja nicht leicht, liest man doch jahrein, jahraus mehr oder weniger die gleichen Anmerkungen und Anekdoten zu den Werken, gerade wenn es sich um die altbekannten Evergreens der Klassik handelt (Ja, als Verfasser derselben steht man sicher vor dem gleichen Problem). Nun gehört Mahlers Siebte vielleicht nicht unbedingt zu seinen am häufigsten gegebenen Sinfonien, aber auch hier kann man ganz ohne hellseherische Fähigkeiten vorhersagen, was im Begleittext thematisiert werden wird. Zumindest das „problematische“ Finale muss zwingend zur Sprache kommen, gern auch mit dem hinrissigen Adorno-Zitat vom „schlechten Jasager“, das Mahler die Fähigkeit zu ehrlich positiv gehaltenen Finalsätzen abspricht. Gut, Adorno hat auch eine Menge anderen Stuss in geschliffene Worte verpackt, sei es seine „Interpretation“ des Naturlaut-Beginns von Mahlers 1. Sinfonie oder seine Fehleinschätzung in Bezug auf Sibelius. Umso erfreulicher, dass in dem vorliegenden Programmheft mal ein anderer Ansatz zur „Ehrenrettung“ Mahlers verfolgt wird. Keine Ahnung, in wiefern das neu ist, aber den Jubel und Überschwang des Finales mit karnevaleskem Humor in Verbindung zu bringen, ist endlich mal eine stimmige Einordnung des Gehörten. Ich persönlich habe nie verstanden, wie man sich an dem „Bruch“ – ich möchte eher von Kontrast sprechen – zwischen den vorangegangenen Sätzen und dem Finale stören kann. Es muss nicht immer Apotheose sein, um den düster-nachdenklichen, teilweise aber auch eher sentimental-verträumten Elementen der Kopf- und Mittelteile etwas entgegenzusetzen – das Finale als Kehraus der brütenden, zweifelnden Gedanken.

Jansons und seine Münchner sind mir mittlerweile zu lieben Vertrauten geworden, deren Besuche jedesmal aufs Neue Spitzenklasse definieren. Man kann sich ganz auf die Interpretation konzentrieren, weil man in puncto Ausführung ohnehin nichts zu befürchten hat. Auch wenn mein Platz heute, gewissermaßen eher neben dem Orchester, nicht unbedingt ein ideales Klangerlebnis ermöglichte, war es doch eine Wohltat, diese großartige Sinfonie in all ihren Facetten und Details erneut erkunden zu dürfen. Zu Jansons Interpretation selbst kann ich gar nicht viel sagen, eine besonders extreme Lesart ist das sicher nicht, aber es fühlt sich einfach alles richtig bei ihm an. Klang und Technik des Orchesters tun ihr übriges, die Pforten zum Mahlerschen Kosmos weit aufzustoßen. Sei es die monumentale Konzeption des Kopfsatzes, oder die spätestens mit der zweiten „Nachtmusik“ einsetzende somnambule Stimmung, aus der wir im sich „zu Tode feiernden“ Finale gerissen werden – dieses Werk hält mindestens ebenso viel Berührendes, Feines, Intimes wie ihre sinfonischen Schwestern bereit. Schade, dass sie so selten aufs Programm genommen wird. Die heutige Aufführung hat diesen Mangel gerade durch ihre Makellosigkeit gezeigt.