20:00 Uhr, Etage 13, Bereich E, Reihe 3, Platz 13
Gustav Mahler – Sinfonie Nr. 9 D-Dur
Mahlers Neunte – in schöner Regelmäßigkeit ein Garant für Hyperventilation und Herzklabaster, eben was sich halt so Schönes und Erbauliches aus Musik mitnehmen lässt. Nach den letzten beiden Volltreffern mit Jonathan Nott (Link) und dem mittlerweile leider verstobenen Jeffrey Tate (Link), beide auch schon wieder einige Jahre her, sollte sich diese Spielzeit gleich mehrfach die Gelegenheit ergeben, mich meiner absoluten Lieblingssinfonie in der Elbphilharmonie auszusetzen. Neben dem Philharmonia Orchestra haben noch der SWR mit Currentzis, das Royal Concertgebouw Orchestra, die San Francisco Symphony sowie das NDR Residenzorchester die Neunte als Beitrag für Hamburg im Gepäck – die reinste Weltschmerzinflation. Da will es wohl überlegt sein, wie oft und mit wem man sich in diesen emotionalen Abgrund stürzt.
Esa-Pekka Salonen und das Philharmonia Orchestra sind eine Kombination, auf die ich seit jeher schwöre. Ob Bruckner-Entschlackung, Dampfhammer-Sacre oder subtiler Sibelius – die Liste außergewöhnlicher Konzerterlebnisse wächst mit den Jahren. Heute sollte sich keine Ausnahme davon einreihen. Bereits nach dem gewaltigen Kopfsatz war ich mehr als bedient. Brutaler, zerrissener, erdrückender kann man einem dieses heißgeliebte, halbstündige Monstrum aus Seufzermotiven, Erinnerungsfetzen und Niederschlägen kaum entgegenschleudern. Der eigentliche Clou des Abends war jedoch fraglos die Präsentation der beiden Mittelsätze. Im Nachhinein hätte ich mir vielleicht denken können, das Salonen gerade diese grotesken Ruinen des Tänzerischen besonders liegen müssen, ist er doch immer ein Experte für alles rhythmisch Forcierte gewesen.
Diese Schärfe, diese Härte, diese elementare Wucht einer sich unbarmherzig in Auflösung befindlichen Musik – erschreckend und faszinierend zugleich. Ich muss Herrn Salonen in gewisser Weise dankbar sein, dass seine Interpretation des ins Unendliche hinausgezögerten, selbstzerfleischenden Abschieds vom Leben und der Welt, des ins Mark schneidenden Schluss-Adagios, vergleichsweise milde, fast schon nüchtern gefasst ausfiel, ansonsten hätte es wieder einmal noch böser für mich enden können. Es muss schon eine gewisse masochistische Grundlage gegeben sein, sich auf diese wonnigen Qualen sehenden Auges, Ohres und Herzens einzulassen. Aber was soll ich machen – das süße Gift, es brennt so tief.