2. April 2025

Royal Concertgebouw Orchestra. Klaus Mäkelä.
Elbphilharmonie Hamburg.

20:00 Uhr, Etage 13, Bereich E, Reihe 3, Platz 13



Arnold Schönberg – Verklärte Nacht op. 4
(Fassung für Streichorchester)


(Pause)

Gustav Mahler – Sinfonie Nr. 1 D-Dur


Royal Concertgebouw Orchestra
Dirigent – Klaus Mäkelä


Das Zwischenfazit bis zur Pause: Klaus Mäkelä verteilt gern große Schellen und ich halte liebend gern beide Wagen hin. Nach dem aufpeitschenden Sacre (Link) mit Paris nun zuerst mal eine Verklärte Nacht, die zum Anschauungsunterricht für im besten Sinne effekt- weil ebenso wirkungsvoll gesetzte Akzente diente. Eine bis ins Detail ausgefeilte Artikulation, Kontraste im Ausdruck, lassen – viel mehr als schroffe Tempowechsel – den Gedankenfaden, die soghafte Überführung von einem Spannungsbogen in den nächsten aufs Vollkommenste gelingen.

Dabei kommt das Werk in dieser Lesart verblüffend zugänglich daher, da sie eher das gesanglich Spätromantische als das Dissonante betont, ohne dabei die sich darin zweifellos türmenden, stauenden, schließlich lösenden Reibungen glattzubügeln. Das Beste aus zwei Welten, könnte man sagen. Der dumme Spruch von der verwischten Tristanpartitur als Errungenschaft entlarvt – Wagner 2.0 ohne Abziehbildcharakter in einer Konsequenz, wie ich sie bei sonst bei kaum einem Stück kenne. Schade, dass Kollege Schönberg dann einen anderen Weg eingeschlagen hat. Sicher, musste wahrscheinlich alles so sein, damit ich nicht um meinen Hindemith oder Britten gebracht wurde.

Die Streicher aus Amsterdam klingen wie erhofft/gewohnt makellos seidig, etwa bei dem flirrenden, etwas an das Siegfried-Idyll erinnernden Intro zur darauf folgenden Passage im letzten Drittel ohne Schwere und Zweifel, oder auch bei dem ein oder anderen Zauberpianissimo gegen Ende. Zupackend geht aber selbstredend ebenfalls. Oder um den Bogen zum vorweg genommenen Zwischenfazit zu schlagen: bei Mäkelä folgen auf starke Gesten starke musikalische Momente. Leider bewegten sich Teile des Publikums nicht auf diesem Niveau – viele dumme Huster an sensiblen Stellen. Diesem Umstand war auch nach der Pause keine Besserung beschieden, im Gegenteil.

Ich Frage mich, wie groß der Anteil dieser Störfaktoren daran war, dass aus einem zur Pause schon sicher geglaubten Gesamt- nur ein Zwischenfazit wurde. Ich habe die Erste jetzt eine ganze Weile live nicht mehr gehört, aber sie ist mir wie all ihre Schwestern lieb und teuer, war sie doch (neben der Fünften) mein Einstieg in den Mahlerkosmos – Kubelik sei Dank. Diverse Gesamteinspielungen und Einzelaufnahmen sowie natürlich Liveerlebnisse später, hat sich mehr oder weniger herausgestellt, wie „mein“ Mahler sein muss, damit sich die himmlischen Freuden manifestieren. Wohlgemerkt führen dabei für mich durchaus mehrere Wege nach Wien (oder Iglau), von Soltis Starkstrom bis Maazels Wonnenmäander, oder, um beim Livevergleich zu bleiben, die Angebote von so verschiedenen Dirigenten wie Gergiev (Link), Honeck (Link) oder Salonen (Link) – ohne Anspruch auf Vollständigkeit.

Umso schwieriger fällt es mir dennoch herauszuarbeiten, warum es Herrn Mäkelä heute nur in Maßen gelungen ist, mein Mahler-Herz zum Glühen zu bringen, obwohl eigentlich alle Vorzeichen (Schostakowitsch (Link), Strawinsky und jetzt der Schönberg) dafür sprachen. Und nein, eine überhöhte Erwartungshaltung möchte ich diesmal definitiv ausschließen – dafür sind die Passagen dieser Sinfonie, die mich mit dem richtigen Ansatz jedes Mal „kriegen“, einfach zu wirksam. Ich hatte den Eindruck, dass eben jene Züge, die mich ansonsten bei Mäkelä verzückt hatten, in seinem Mahler nur bedingt zünden. Auch hier nehme ich eine ungemein ausgeklügelte Konzeption in der Ausgestaltung der Artikulation wahr: was wird wann wie betont, geschärft oder gemildert. Und das alles ergibt auch vollkommen Sinn – nur eben keine Gänsehaut bei mir, geschweige denn mehr.

Es fühlt sich ein bisschen so an, als hätte Mäkelä alles eine Spur zu sehr unter Kontrolle, dabei befeuert er seine Orchesterkollegen stetig mit neuen Impulsen. In meinen Ohren stet Mahler ein „Ohne Rücksicht auf Verluste“ gut zu Gesicht, sich immer wieder (fast) zu verlieren, um sich neu sammeln zu können, ein Ringen, Quälen, Schnaufen und Fiebern, aus dem einen Oasen der Wehmut, Sehnsucht oder Kontemplation kalt und heiß erwischen. Geschichten ohne Worte, allgemeingültige Seelenaggregatszustände, eben eine ganze Welt in Tönen, wie sie Mahler besingen wollte. Heute habe ich leider in jedem der vier Sätze mehr Musik als Welt vernommen. Das ist nicht schlecht, handelt es sich bei Mahlers Stimme doch um eine, die für mich durch kaum eine andere übertroffen wird. Umso schmerzlicher wiegt da das, was hätte sein können.

Was hätte mir mehr zugesagt? Mehr Rubato? Tempokontraste? Eine Prise Chaos? Unsauberkeit? – der Effekt der in den „Trauermarsch“ reingrätschenden Kapelle im 3. Satz geriet für meine Begriffe einfach zu brav, zu kontrolliert, um nur ein kleines Beispiel zu nennen. Und inmitten aller Wucht und niederschmetternder Vehemenz des Finalsatzes muss das zarte, liebliche Thema diese Schwere und Verzweiflung durchbrechen wie ein Gedanke aus kaum erreichbar geglaubter Sphäre an die liebste Person, die man auf Erden kennt. Klingt zu kitschig, nach zu viel Pathos? Vielleicht ist es auch das – mein Sehnen nach Pathos (und Verausgabung).

Damit kein falscher Eindruck entsteht: Mäkeläs Interpretation ist nie langweilig, in jedem Takt stimmig und definitiv „objektiv“ gesehen auch mitreißend. Spätestens im Finale, wenn er das Gewölbe des Schlusschorals in all seiner gleißenden Pracht und unmissverständlichen Wucht vor unser aller Ohren auftürmt, mit einem Schlussantritt, der seinesgleichen sucht, hat er auch den letzten im Saal von der triumphalen Schönheit dieser Musik überzeugt. So hält es unmittelbar an den Nachhall der Weltumarmungsexplosion kaum jemand auf den Sitzen, einen solch heftigen Standing-Ovation-Drang habe ich in der Elphi selten erlebt. Am Ende also doch wohl mein „Problem“, denn nur mit Mäkeläs sicher für die Kernzielgruppe vorteilhaften Erscheinung eines Traumschwiegersohns ist ein solcher Reaktionsausbruch nicht zu erklären.

Zum Concertgebouw lässt sich wenig Neues sagen. Ein Orchester, wie ich es mir erträume. Wahnsinn, wie sich hier die Qualität des produzierten Klanges mit der Gnade der akustischen Transparenz des Saales paart – was gibt es da nicht alles zu entdecken und erlauschen. Auch eine Solotrompete, die für meinen Geschmack eine Spur zu spröde agierte, aber das war es dann schon an „Misstönen“. Wie gesagt, ich hätte mir hier und da sogar eher mehr Mut zur Hässlichkeit gewünscht, namentlich bei den Einwürfen der Holzbläser an der ein oder anderen exponierten Stelle. Aber es bringt herzlich wenig, auf mikrostruktureller Ebene zu forschen, warum ich heute nicht mitgenommen wurde. Die Verbindung der Amsterdamer Edeltruppe mit ihrem neuen Chef verheißt in jedem Fall Großes für die Zukunft, so fühlt es mein heute unbewegtes Herz umso stärker.

25. Februar 2025

Orchestre de Paris – Klaus Mäkelä.
Elbphilhamonie Hamburg.

20:00 Uhr, Etage 12, Bereich D, Reihe 3, Platz 4



Maurice Ravel – Le tombeau de Couperin (Fassung für Orchester)

Claude Debussy – Nocturnes /
Sinfonisches Triptychon für Orchester und Frauenchor

(Pause)

Igor Strawinsky – Le sacre du printemps /
Bilder aus dem heidnischen Russland


Orchestre de Paris
Singverein der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien
Dirigent – Klaus Mäkelä



Ravel: Ich liebe dieses kleine, feine Stück. Die ersten beiden Sätze geht Mäkelä zwar etwas anders an als gewohnt (hab seinerzeit die Abbado-Einspielung rauf und runter gehört), aber dennoch prima – luftig-duftig, federnd. So soll es sein. Highlight ist der ruhige Satz: topp in der Ausgestaltung der Spannungsbögen.

Debussy: Auch wunderbare Musik, besonders live mit dem Chor ein akustisches Erlebnis. Erst heute bemerkt: das Fagottsolo im 2. Satz schlägt die Brücke zum Beginn des Sacre – klar, das Programm wurde sicher nicht ohne Grund so zusammengestellt. Man merkt überhaupt: Das Tänzerische verbindet alle Werke des Abends.

Wobei „tänzerisch“ für die Dampframme aus der Feder Strawinskys nach der Pause heute wirklich Understatement wäre. Spannung und Präzision, ein tierischer Groove vor allem im zweiten Teil. Über Rausch und Ekstase ist im Zusammenhang mit diesem Werk schon viel geschrieben worden, in der heutigen Präsentation hatte das regelrecht etwas von einem Rave. Absolut im Tunnel. Und Mäkelä reitet mit seinem Orchester die Wellen auf der letzten Schaumkrone, ohne jemals Gefahr zu laufen, dabei Halt und Zug zu verlieren. Ein Wahnsinns-Sacre, wie ich ihn Live in dieser Intensität höchstens noch von seinem Landsmann, Esa-Pekka Salonen abgerufen erlebt haben dürfte. Pure, rohe, durch Kanalisierung ins Unaushaltbare gebündelte Energie, die ihren Weg überall hin findet – Ins Ohr, ins Herz, und nicht zuletzt in jede Faser selbst solcher Körper (wie meinen), für die unter Normalbedingungen ein wippender Fuß die größtmögliche Annäherung an das Konzept Tanz darstellt.

26. Januar 2025

Mahler Chamber Orchestra – Mitsuko Uchida.
Elbphilharmonie Hamburg.

20:00 Uhr, Etage 12, Bereich D, Reihe 3, Platz 4



Wolfgang Amadeus Mozart – Konzert für Klavier und Orchester
B-Dur KV 456

Leoš Janáček – Mládi (Die Jugend) für Bläserensemble

(Pause)

Wolfgang Amadeus Mozart – Konzert für Klavier und Orchester
C-Dur KV 467

Zugabe der Solistin:
Arnold Schönberg – Klavierstück Nr. 2 /
aus: Sechs kleine Klavierstücke op. 19


Mahler Chamber Orchestra
Mitsuko Uchida – Klavier und Leitung



Fazit vorweg: 1. Halbzeit überraschend erfrischend, 2. Halbzeit Snoozefest

Mozart zum Ersten: mir unbekanntes Klavierkonzert entpuppt sich als ungewohnt involvierend. Uchidas Ansatz im Orchester elegant-federnd (1. Satz), behutsam-innig (2. Satz) überzeugt entgegen meiner sonst bevorzugten ruppigen Lesart. Liegt aber wohl auch am Stück selbst, gerade der zweite Satz enthält Tiefe und Innigkeit (wie z.B. die Bläser das hoffnungsvolle Thema nach der verzweifelten Episode anstimmen, welches das Klavier dann übernimmt). Finale nicht der Oberrausschmeisser aber durchaus zwingend. Uchida mit perlendem Anschlag.

Janacek: spannendes kleines Bläserstück. Erster Satz: Jugendthema erinnert an Williams/Hook/Peter Pan? Generell tolle Kombinationen und Klangfarben.

Mozart zum Zweiten: eines der bekanntesten Konzerte lässt mich absolut kalt. Musikalisches Material langweilig, man weiß jederzeit was kommt und anstatt sich auf etwas davon zu freuen, erdulde ich unter höchster Anstrengung den Fortgang. Heute vielleicht nicht ganz die übliche Quälerei, hat aber immer noch nichts mit Genuss zu tun, weder intellektuell noch emotional berührend. Einfach frustrierend. Uchida doch nicht so toll? Zweiter Satz irgendwo zwischen unangenehm süßlich und langweilig.

Die Zugabe dann mehr als befremdlich: Hurz-Vibes, das Ganze gefühlt keine Minute lang. Später stellt sich der Übeltäter raus – Schönberg, natürlich.


10. November 2024

Alexandre Kantorow. Elbphilharmonie Hamburg.

20:00 Uhr, Etage 12, Bereich D, Reihe 3, Platz 4



Johannes Brahms – Rhapsodie h-Moll op. 79/1

Franz Liszt – Étude b-Moll »Chasse neige« /
aus: Études d’exécution transcendante S 139
Vallée d’Obermann /
aus: Années de pèlerinage, première année, Suisse S 160

Béla Bartók – Rhapsodie op. 1

(Pause)

Sergej Rachmaninow – Sonate Nr. 1 d-Moll op. 28

Johann Sebastian Bach / Johannes Brahms – Chaconne für die linke Hand /
aus: Partita Nr. 2 d-Moll BWV 1004

Zugabe:
Richard Wagner / Franz Liszt – Isoldes Liebestod aus »Tristan und Isolde« /
Bearbeitung für Klavier S 447'


Alexandre Kantorow – Klavier



Einer der intensivsten Klavierabende, die ich je erleben durfte. Gerade beim Liszt und Rachmaninow, aber auch bei der Bartok-Rhapsodie, die ich vom bloßen Hören nie diesem Komponisten zugeeignet hätte, entfaltet Kantorow einen regelrechten Rausch, zieht den Hörer Woge um Woge in ein Zauberreich der Klänge. Ich weiß nicht wie oft ich an diesem Abend mit einer Mischung aus Verblüffung und Verzückung gedacht habe "Ja, so in etwa muss sich das Publikum seinerzeit bei einer Darbietung Liszts gefühlt haben" – welche Grenzen sind diesem Instrument in solcher Behandlung überhaupt gesetzt? Ich habe selten derart angespannt einem Klavierspiel gelauscht, und das meine ich uneingeschränkt positiv. Gleichermaßen ist es mir selten so leicht gelungen, die Konzentration auf solch komplexe, mir bis auf den Brahms weitgehend unbekannte Musik zu halten, eben weil Kantorow die Intensität nicht einen Takt abflauen lässt.

Welch eine Seelenwanderung in Tönen! Beginnend mit der wunderbaren, bald düster aufwühlenden, bald zart berührenden Brahms-Rhapsodie bis hin zur Bach-Chaconne in der Bearbeitung eben desselben, in der die bewusst gewählte Limitation auf eine Hand zum Ereignis auswächst, gibt es in diesem Recital nicht einen Moment, der nicht die Erkenntnis des Außergewöhnlichen atmet. Als Kantorow seinen Vortrag dann auch noch mit dem Liebestod beschließt, ist es vollends um mich geschehen. Die Motivation, einen Klavierabend zu besuchen, ist sicher bei den geneigten Besuchern verschieden geartet, ich persönlich habe mich heute sehr gern mit dem Gefühl auf den Heimweg gemacht, mich erst einmal erholen zu müssen.

28. September 2024

Eugen Onegin – Vitali Alekseenok. Opernhaus Düsseldorf.

19:30 Uhr, Orchestersessel links, Reihe 5, Platz 154



Unbeschriebene Blätter gibt es mannigfaltige – den Newcomer, den etablierten Geheimtipp, den Rampenlicht-Verweigerer. Vitali Alekseenok ist frisch gebackener Chefdirigent der Deutschen Oper am Rhein. Dass ich zuvor noch nie etwas von ihm gehört habe, ist nicht sein Problem. Dass sich mein Verlangen, mehr von ihm zuhören, nach heute definitiv in Grenzen hält, führe ich allerdings weniger auf weiße Blätter, denn seinen Umgang mit Tschaikowskys sicher nicht spärlich befüllter Partitur zurück.

So wird das nichts mit der Kober-Nachfolge. Zu Buche steht ein weitgehend konturloses Dirigat, besonders deutlich spätestens beim Beginn des dritten Aktes – kein Knack, kein Feuer. Man kann Alekseenok einzig zugutehalten, dass er es sich traut, das Orchester auch mal richtig leise spielen zu lassen. Stichwort „Lyrische Szenen“, aber auch hier nichts Epochales. Das Orchester insgesamt nicht mit dem besten Tag – Solohorn, Solocello etc. Abstimmung mit Chor ausbaufähig. Zu den Sängern: Tatjana lyrisch gut aber insgesamt etwas matronenhaft. Olga etwas steif, hätte ich mir stimmlich wie darstellerisch quirliger gewünscht. Der Tenor relativ spröde, nicht viel Schmelz, zudem legt er die Rolle schon sehr weinerlich/waschlappig aus. Onegin mit gutem Organ aber vom Ausdruck her ausbaufähig. König noch der Beste, gerade bei dem vergleichsweise leisen Orchester.

Hauptschwachpunkt des Abends ist aber wohl die Regie. Herr Thalheimer und ich werden keine Freunde mehr. Klötzchenwand ohne viel Ideen. Was in der (sehr guten) Einführung vollmundig als modulares Bühnenbild angekündigt wurde entpuppt sich als Treppe, Podest und (immer wieder!) Mauer zum Wegschieben. Personenregie unsinnig verspielt (der Gehörnte auf dem Ball wird Onegins Adjutant) bis nicht vorhanden (dritter Akt „Tanz um den einsamen Stuhl“). Generell: warum diese Form von Aktualisierung, wenn sie so mutlos erfolgt? So wirkt beispielsweise Onegins Partyflirt mit Olga völlig harmlos und seine Brisanz – wie Lenskis wutschäumende Reaktion darauf – komplett aus der Zeit gefallen. Ebenso die französische Einlage auf dem Fest. Wer spricht dann so – Lehrer Lempel? Man kratzt sich, wie bereits im Parsifal (Link) des öfteren am Kopf. Welchen Kommentar genau soll uns die szenische Umdeutung der fröhlich singenden Bauern ins aufrührerische Proletariat hinterlassen? Kritik an einer verklärten Darstellung der Landbevölkerung im Libretto? Geschenkt. Warum legt man eine flotte Gummisohle aufs Parkett, einzig für die putzige Szenerie der roten Stiefel? Bauerntrampelballett?

Schlimmer noch als die musikalischen und szenischen Fragezeichen wiegt der Umstand, dass sich mir heute ernsthaft Gedanken über den Gehalt des Werkes als solches aufdrängten. Ketzerische Gedanken, wie jener, was die Handlung von einer Pilcher-Schmonzette unterscheidet, oder die Verwunderung, dass das musikalische Material heute so gar nicht bei mir zünden will. Dabei verlief meine erste Begegnung mit den „Lyrischen Szenen“ vor Jahren in Riga (Link) ungleich intensiver, und das auf jeder Ebene. Ich glaube, dass mir unabhängig von der Tagesform eine Pique Dame schon generell näher liegt als der Onegin, nichts desto trotz ist dieses Werk sicher nicht so derart auf die leichte, schlimmer noch zuckende Schulter zu nehmen, wie es sich heute an der Heinrich-Heine-Allee anfühlte.

PS: Die Vorstellung war erschreckend schlecht besucht – für einen Samstag geradezu ein Armutszeugnis.


Eugen Onegin
Lyrische Szenen in drei Akten
Musik – Peter Iljitsch Tschaikowsky
Libretto von Peter Iljitsch Tschaikowsky und Konstantin S. Schilowsky
nach dem Versroman von Alexander Puschkin

Musikalische Leitung – Vitali Alekseenok
Inszenierung – Michael Thalheimer
Bühne – Henrik Ahr
Kostüme – Michaela Barth
Licht – Stefan Bolliger
Chorleitung – Gerhard Michalski
Dramaturgie – Anna Grundmeier/Anna Melcher
Konzeptionelle Vorbereitung – Bettina Auer

Larina – Katarzyna Kuncio
Tatjana – Liana Aleksanyan/Luiza Fatyol
Olga – Anna Harvey/Maria Polańska/Ramona Zaharia
Eugen Onegin – Bogdan Baciu/Mikołaj Trąbka/Richard Šveda
Lenski – David Fischer/Ovidiu Purcel/Jussi Myllys
Fürst Gremin – Hans-Peter König/Luke Stoker/Bogdan Taloș
Filipjewna – Rita Kapfhammer
Triquet – Sergej Khomov/Riccardo Romeo
Saretzkij – Jacob Harrison/Valentin Ruckebier
Ein Hauptmann – Junho Jung/Volker Philippi
Vorsänger – Dong Hoon Kim/Mamuka Manjgaladze

Chor der Deutschen Oper am Rhein
Düsseldorfer Symphoniker