2. Oktober 2025

Orgel pur – Iveta Apkalna. Elbphilharmonie Hamburg.

20:00 Uhr, Etage 12, Bereich B, Reihe 4, Platz 8



Arvo Pärt – Annum per annum
Pari intervallo (Fassung für Orgel)
Johann Sebastian Bach - Passacaglia c-Moll BWV 582
Arvo Pärt – Spiegel im Spiegel

(Pause)

Johann Sebastian Bach – Toccata und Fuge d-Moll BWV 565
Arvo Pärt – Trivium
Pēteris Vasks – Viatore (Wanderer) / Hommage à Arvo Pärt (Fassung für Orgel)

Zugabe: Lūcija Garūta – Meditation

Iveta Apkalna – Orgel



Spiegel im Spiegel, lese ich im Programmheft. Welches der Stücke Pärts war das nochmal, müsste ich doch kennen, denke ich so bei mir. Ach DAS, zuckt es mit einem Schmunzler durch meinen Sinn, als ich das erste Mal die Dreier-Tonfolge vernehme. Und dem ersten Mal sollten einige, nicht wenige Male folgen. Das Programm ist dem 90. Geburtstages des Komponisten gewidmet, fraglos einer der berühmtesten lebenden Tonschöpfer im Klassikbereich. Ohne die Lebensleistung des Esten in Frage stellen zu wollen, zeigt sich heute wieder, dass ich mit seinem Oeuvre einfach wenig anfangen kann (mit einer Ausnahme: Fratres).

Weder das wohlbekannte Spiegel im Spiegel, bei welchem ich immer an eine Verwendung als sentimentale Filmmusik denken muss (und das von jemandem, der originale Filmmusik ebenso wie Klassik liebt), noch die mir unbekannten Stücke waren heute in der Lage, mein Bild von seinen Kompositionen zu relativieren, das ich mit „einlullende Unterforderung“ zusammenfassen möchte. Wie gesagt, ohne mich wirklich vollumfänglich in Pärts Werkkatalog auszukennen.

Der Effekt bei „annum per annum“, der Orgel buchstäblich per Knopfdruck den Wind aus den Segeln zu nehmen, ist nicht uninteressant – das in sich Zusammensacken der Klangkulisse hat eine unwirkliche, ja beinahe elektronische Qualität. Aber mehr als diesen Aha-Moment erlebe ich mit den ersten beiden Pärt-Stücken nicht.

Der Kontrast zu der von mir heiß geliebten Bach-Passacaglia könnte akustisch wie emotional kaum größer sein. Das in stetiger Variation majestätisch dahinmäandernde Werk zieht mich live immer wieder ebenso in seinen Bann wie in der Abgeschiedenheit des heimischen Musikrefugiums. Frau Apkalnas Interpretation weicht hier und da von dem mir achso Vertrauten ab, arbeitet andere Nuancen zu Tage, verfehlt ihre soghafte Wirkung aber keinesfalls.

Mir persönlich liegt die Passacaglia viel näher als der nach der Pause gespielte Superstar unter den Orgelwerken – nimmt man seine Bekanntheit und den Einsatz in allen möglichen und unmöglichen (pop-)kulturellen Zusammenhängen als Maßstab für solch eine törichte Kiesung. Klar, der Auftakt ist ein unkaputtbares Ausrufezeichen, der weitere Verlauf ein überaus abwechslungsreicher, energetischer Ritt. Dennoch ziehe ich die Gravitas und dichte Konsequenz der Passacaglia vor – wenn man überhaupt vor die Wahl gestellt werden möchte/sollte. Auf jeden Fall entfachte DIE Toccata und Fuge die meiste Begeisterung beim Publikum. Warum auch nicht – schön, das Stück wieder einmal mustergültig dargeboten bekommen zu haben.

Die anschließenden Werke von Pärt und Vasks konnten den Spannungsbogen dann nicht mehr halten. An das Pärt Stück habe ich bereits keine Erinnerung mehr, Vasks Wanderer hatte Potenzial, hätte für meinen Geschmack aber ruhig die ein oder andere Abkürzung nehmen sollen – es zog sich. Die Zugabe aus der Feder einer Landsfrau Apkalnas brachte noch einmal für ein paar Minuten in harmonisch reichem, spät-spätromantisch anmutenden Gewand frischen Wind in den Saal.

Abschließend noch ein Gedanke zu „Spiegel im Spiegel“: Vielleicht ist das Stück nicht unbedingt ideal für die Darbietung auf der Orgel? Die ursprüngliche Kombination von Klavier und Violine bietet in dem repetitiven, schlichten Gerüst ein ungleich intimeres Zusammenspiel, als es eine riesenhafte Orgel mit noch so viel Registerzauber vermag. Den Ausspruch Pärts aus dem Programmheft, „Ich habe entdeckt, dass es genügt, wenn ein einziger Ton schön gespielt wird“, möchte ich durchaus unterschreiben, wobei aus der Idee bei diesem Komponisten für mich leider nur in seltenen Fällen eine Umsetzung erwächst, die mich interessiert, geschweige denn berührt. Schade.

22. September 2025

Orchestra of the Royal Opera House – Jakub Hrůša. Elbphilharmonie Hamburg.

20:00 Uhr, Etage 12, Bereich D, Reihe 3, Platz 4



Béla Bartók – Suite aus »Der wunderbare Mandarin« op. 19 Sz 73

(Pause)

Antonín Dvořák – Die Geisterbraut / Kantate für Soli, Chor 
und Orchester op. 69
In tschechischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Orchestra of the Royal Opera House
Royal Opera Chorus
William Spaulding – Chorleitung
Kateřina Kněžíková – Sopran
Nicky Spence – Tenor
Pavol Kubáň – Bariton
Dirigent – Jakub Hrůša



Einführung sehr informativ. Handlung/Struktur zum Mandarin anhand von Klangbeispielen für mich verständlich gemacht (Solo-Klarinette als Lockmusik der Dame/Tänze als Einführung der Herren/Blechglissando als Entree des Mandarin). Hörspielcharakter der Geisterbraut sehr griffiges Bild für die Kantate. Gemeinsamkeiten über die offensichtlichen Unterschiede der beiden Stücke hinweg hervorgehoben – in beiden wird eine Geschichte musikalisch erzählt, es geht es (auch) um Sehnsucht und Tod.

Bartok: ich mag das Stück sehr, steh halt auf Fratzengeballer. Interpretation völlig in Ordnung, Orchester insg. etwas zu brav/weich. Streicher schön, aber sehr mild, gehen schon anfangs etwas unter und geraten im rythmischen Finale dann vollends unter die Räder von Percussion und Bläsern.

Dvorak: Anfangs leichte Holländer Vibes. Dachte das Stück ist mir insg. zu brav (stimmt in gewisser Weise auch. vgl. z.B. eben den Holländer oder Berlioz’ Hexensabbat), aber es besitzt sehr wohl seinen Reiz. Abwechslungsreiche, eingängige Komposition. Arien schön, nach dem ersten Höreindruck aber nicht kolossal innovativ/herausstechend. Interessanteste Phase zweiter Auftritt Chor und Erzähler auf der „Reise“ (schaurige Atmo, Irrlichter, Frösche …). Klassische Strukturen (drei Teile der Reise/drei Gegenstände/dreimal wird der Tote vom Bräutigam erweckt …), Schlussarie der Braut durchaus berührend, innig, danach Anbruch des Tages mit Schmackes im Chor, Finale eher wohlig-mild als überwältigend. Passt aber von der Stimmung her. 

Insgesamt eher der subtile Grusel als Krassheiten und Schockmomente, harmonisch auch gemäßigt. Hat sich auf jeden Fall gelohnt, das mal gehört zu haben. Solisten gut, Tenor und Bariton hätten z.T. etwas mehr Durchschlagskraft vertragen können. Tenor aber schön wandlungsfähig von ambivalent/unnahbar bis offen verdorben. Viele Omas mit Frühstart oder Saalflucht beim Applaus. Für die Darbietung hätte der Jubel etwas größer ausfallen können. Übertitel waren sehr hilfreich, die Konzentration hielt komplett die 80 unbekannten Minuten durch. Warum nicht immer so?

26. Juni 2025

Orchestre Métropolitain de Montréal – Yannick Nézet-Séguin. Elbphilharmonie Hamburg.

20:00 Uhr, Etage 13, Bereich E, Reihe 3, Platz 13



Maurice Ravel – La valse / Poème chorégraphique für Orchester
Barbara Assiginaak – Eko-Bmijwang (Aussi longtemps que la rivière coule)
Camille Saint-Saëns – Konzert für Klavier und Orchester Nr. 2 g-Moll op. 22

Zugabe:
Isoldes Liebestod »Mild und leise wie er lächelt« /
aus der Oper »Tristan und Isolde« WWV 90
(Bearbeitung für Klavier von Zoltan Kocsis)

(Pause)

Piotr I. Tschaikowsky – Sinfonie Nr. 6 h-Moll op. 74 »Pathétique«


Orchestre Métropolitain de Montréal
Alexandre Kantorow – Klavier
Dirigent – Yannick Nézet-Séguin



Vor der Zugabe dachte ich noch: Kannste ja mal zur Abwechslung den Text zur ersten Halbzeit flink in der Pause tippen – Spitzenkonzert, dies und jenes Detail hervorheben, Kantorow für seine Technik in den Himmel loben, fertig. Und dann haut der gute Mann als Zugabe (wieder! (Link)) den Liebestod raus, so dass ich jetzt erst mal meine Murmeln sortieren muss.

Also hübsch der Reihe nach: La Valse ist vielleicht mein Lieblingsstück von Ravel und ich freue mich jedesmal wie ein kleines Kind, wenn diese elegante Monstrosität auf dem Programm steht. Nézet-Séguin erarbeitet mit seinen Landsleuten eine absolut schlüssige, fließend-transparente, kontrastreiche Interpretation mit Verve und Wumms, ohne es dabei vollends in Sachen Schärfe ausarten zu lassen. Ich kann damit wunderbar leben, auch wenn ich das Stück gern mal ein paar Schritte dichter zum Rande der Auflösung präsentiert bekomme. Es stellte sich heute wieder – wie schon bei meinen letzten Konzerten auf diesem Platz – ein bisschen die Frage, ob die Position immer noch mein bevorzugter Fleck in der Elphi ist, oder ob ich selbst bei solch groß besetzten Werken lieber näher am Geschehen wäre. Das Pendel schlägt wohl wie beim Mahler unter Mäkelä (Link) und van Zweden (Link) Richtung Letzteres aus. Aber wie bereits oft konstatiert, ein sehr transparenter, ausgewogener Klang dort, gerade bei leisen Stellen.

Das zweite Stück des Abends von Frau Assiginaak ruft leichte Appalachian Spring Vibes hervor. Indigenes Colorit, zum Teil ungewöhnliche Klangeffekte (mit Papier rascheln), generell viel Perkussion, insgesamt ein eher tonal gehaltenes, sehr zugängliches Werk.

Das zweite Klavierkonzert von Saint-Saëns ist mir recht gut bekannt, vollends warm werde ich wohl nie damit: Den ersten und dritten Satz empfinde ich als wunderbar, aber das kumpelig-schunkelige Thema des zweiten geht leider gar nicht. Das hat eine "Qualität", die Eumel zum Mitsummen einlädt … da bin ich komplett raus. Kantorow wie beim letzten Mal phänomenal, an manchen Stellen scheint es, als widersprächen seine Handbewegungen den Gesetzen der Physik – quasi ein glitch in der Matrix – eine im wahrsten Sinne für Ohr und vor allem Auge unfassbare Geschwindigkeit. Und dann halt die Zugabe. Der vielleicht beste Liebestod am Klavier, obwohl er die finale Steigerung superschnell nimmt, was eigentlich so gar nicht meinem Geschmack entspricht. Schwere Gedanken umwölken meine Sinne. Wir werden alle sterben, haben liebe Menschen verloren und werden weitere verlieren, aber auch das ist das Leben. Und es ist es wert.

Zum Abschluss Tschaikowsky – vielleicht die beste Sechste ever. Hatte nicht so richtig Bock drauf, Nézet-Séguin belehrt mich eines Besseren. Richtig Oooomph, lehnt/hängt sich wortwörtlich und im übertragenen Sinne rein. Artikulation sehr pointiert, dabei nie hart, immer organisch, trotzdem starke Kontraste in Dynamik (erster Satz ersterbende Holzbläser und dann Schlag auf die Omme), ppp zum Lufanhalten, oder Tempo (Mordsantritt dritter Satz,) treibt die Streicher zum Expressivsten, aber nicht kitschig, ehrlich tiefe Emotionen, Sehnsucht, Verzweiflung. Wenn das Hauptthema des Kopfsatzes erklingt, zerfließt man wie Butter. Dritter Satz Hammer!mässig. Mehr Trotz geht nicht. Den Finalsatz hatte ich nicht so stark in Erinnerung. Nicht nur Wehmut, sondern auch Kampf und Dampf. Choralstelle mit Posaunen und Tuba unanfechtbar. Solohorn topp! Zweiter Satz strotzt vor Eleganz, aber von der Komposition her nicht so meins. Standing ovations. Im nicht enden wollenden Jubel besucht Nézet-Séguin noch mal alle Stimmführer einzeln und geht vor ihnen auf die Knie. Klingt theatralisch, kam aber spürbar von Herzen: der Mann aus Montreal und seine Mitmusiker aus Montreal – eine magische Verbindung.

4. Juni 2025

London Symphony Orchestra – Pappano.
Elbphilharmonie Hamburg

20:00 Uhr, Etage 12, Bereich D, Reihe 3, Platz 4



Hector Berlioz – Ouverture du Corsaire op. 21
Pierre Boulez – Mémoriale / ... explosante-fixe ... originel
Pierre Boulez – Livre pour cordes

(Pause)

Hector Berlioz – Symphonie fantastique /
Épisode de la vie d’un artiste op. 14

Zugabe: Gabriel Fauré – Pavane op. 50


Ich würde mich ja gern mal mit jemandem unterhalten, der sagt: „Also Boulez ist mein absoluter Lieblingskomponist!“ Mir erschließt sich durchaus ein gewisser Reiz dieser Musik, aber der bewusste Verzicht auf Melodik und vor allem auf ein Harmoniegefüge, in dem greifbare Tonalität eine Rolle spielt, machen es mir schwer, die nötige Konzentration aufzubringen und unmöglich, von dieser Musik berührt zu werden. Aber vielleicht ist das eben gar nicht der Sinn der Übung, daher mein Interesse daran, was wohl ein ausgemachter Boulez-Fan aus seinen Werken ziehen mag. Faszination an der Komplexität? An den Feinheiten der Klangkombinationen?

Ich persönlich konnte dem differenzierten Klanggewebe insgesamt, der mannigfaltigen Behandlung der tonangebenden Querflöte oder einzelnen akustischen Wirkungen, wie den seltsam unwirklichen Einsätzen des Horns, definitiv etwas abgewinnen – aber warum sollte man sich als Komponist derart selbst beschneiden? Wo das erste Werk mit seiner kleinen, aber vielseitigen Besetzung noch zumindest jene interessanten Klangwirkungen bietet, verliert mich das zweite Stück für Streichorchester vollends, zumal mir der Einsatz der Streicher hier alles andere als innovativ vorkommt. Aber auch da könnte mich der Boulez-Experte sicher eines Besseren belehren. Die intellektuelle Herausforderung hat sicher einen großen Anteil daran, warum ich mich gern und intensiv mit Musik auseinandersetze, ohne die emotionale Komponente bleibt eine Beschäftigung jedoch für mich mehr oder weniger reiz- und fruchtlos.

Dann doch lieber Reize in Hülle und Fülle sowie körbeweise Früchte in allen Geschmacksrichtungen aus der kompositorischen Lese des geliebten Hector Berlioz! Was habe ich mich darauf gefreut, die Sinfonie endlich wieder einmal live zu erleben. Und gleich eingangs mit der Korsaren-Ouvertüre lässt Pappano keinen Zweifel daran, dass das Werk des französischen Powerplayers hier und heute bei ihm und dem Londoner Ausnahmeorchester in den besten Händen liegt. Explosiv, spritzig, federnd, mit dem gebührenden Schmelz in den entsprechenden Passagen – raue See und Wildromantik, wie sie für einen Freund der Kontraste auf allen Ebenen wie mich nicht elektrisierender hätte ausfallen können. 

Und nach der Pause greifen Dirigent und Klangkörper diesen Elan mit der Episode aus dem rauschhaft-berauschenden Künstlerleben nahtlos auf und liefern eine Symphonie fantastique ab, die mich nach dem Furor des Hexensabbats mit einem teuflisch zufriedenen Grinsen in den allgemeinen Begeisterungssturm einstimmen lässt. Das London Symphony Orchestra trägt mit seiner Mischung aus technischer Perfektion und klanglicher Finesse einen großen Anteil daran, obgleich Pappanos Konzept vom ersten bis zum letzten Takt heute einfach unfehlbar scheint. 

Ob das Stürmen, Drängen und Sehnen des ersten, der Taumel und die Eleganz des zweiten, die Mahler und Co. vorwegnehmende Innigkeit und Tiefe der Außenwelt/Innenwelt-Illustration des dritten, das Unaufhaltsame des vierten oder das Archaische, scheinbar Chaotische und doch gleichzeitig so unfassbar kinnladensprengend Virtuose des fünften Satzes – es hat an diesem Abend einfach alles gepasst. Ich vergöttere dieses Stück und bin sehr froh, es heute so erlebt haben zu dürfen, wie ich es mir in den schönsten (Fieber-)Träumen erhofft hatte. Und das ganz ohne Opium, wohlgemerkt.

17. Mai 2025

Chicago Symphony Orchestra – Jaap van Zweden.
Elbphilharmonie Hamburg.

Einführung 18:45 Uhr (Marcel Klinke),
20:00 Uhr, Etage 13, Bereich E, Reihe 3, Platz 13



Gustav Mahler – Sinfonie Nr. 6 a-Moll


Eine der packendsten Mahler-Interpretationen seit langem. Vor mehr als zehn Jahren hatte mich Herr van Zweden im Concertgebouw Amsterdam, nicht mit dem danach benannten Orchester, sondern den Radio-Philharmonikern, schon einmal restlos begeistert (Link). Heute fügte er mit Mahlers 6. eine ähnlich intensive Darbietung hinzu. Schrieb ich damals von einem "Energietransfer sondergleichen", so trifft das auf das heutige Gastspiel in der Elphi in kaum steigerungsfähiger Weise zu. Ich kann mich nicht erinnern, diese symphonische Dampfwalze mit ähnlicher oder gar mehr Wucht über mich hinweggefegt erlebt zu haben. Aber es ist nicht allein die Vehemenz, sondern gleichermaßen Klarheit und Finesse, die mich zu dem persönlichen Fazit hinreißen lassen: besser geht es für mich kaum. Daran hat selbstverständlich das Chicago Symphony Orchestra mit seiner Kombination aus technischer Perfektion und spektakulärem Klang (und nicht nur das Blech) seinen Anteil. 

Einziger minimaler Wermutstropfen war, dass sich für mich heute die Frage beantwortet hat, ob mein Lieblingsplatz weiterhin mein Lieblingsplatz ist, und die Antwort ist leider jein. Sicher sind sowohl die objektive Klangpracht als auch Durchhörbarkeit gerade in einem solch stark besetzten Werk hier wohl unerreicht, doch hat sich mein persönlicher Live-Geschmack offenbar doch etwas mehr in Richtung akustischer Überwältigung entwickelt. Das war im groben und ganzen immer schon so – mit gesitteter Berieselung konnte ich noch nie etwas anfangen (und die ist auf diesem Platz auch nie der Fall), aber ich hätte heute tatsächlich gern etwas weiter vorn im hinteren Parkett gesessen, um Hammerschläge und Furor mit noch mehr Schmackes um die Ohren gepfeffert zu bekommen. 

Ob es an veränderten Hörgewohnheiten oder schlichtweg Abstumpfung liegt, kann ich nicht sagen. Es scheint sich nur ein Muster abzuzeichnen, dass mich ja beispielweise bei Mäkeläs Mahler (Link) auf demselben Platz regelrecht ratlos zurückließ – ich glaube, ich habe dem Mann bzw. seiner Interpretation seinerzeit Unrecht getan. Es ist, wie es ist und ich werde mal in mich gehen müssen, um zu entscheiden, ob ich dieses Abo hier oder auf einem anderen Platz die nächsten Jahre fortführen möchte. Luxusprobleme im Akustikparadies.