26. April 2013

Liederabend – Ian Bostridge & Friends.
Laeiszhalle Hamburg, Kl. Saal.

19:15 Uhr Einführung, 20:00 Uhr, Parkett Mitte links, Reihe 9, Platz 4



Benjamin Britten – Songs and Proverbs of William Blake op. 74
Henry Purcell/Benjamin Britten – Lord, what is Man
Pelham Humfrey – A Hymn to God the Father D 49 (arrangiert von Michael Tippett und Walter Bergmann)
William Croft/Benjamin Britten – A Hymn in Divine Musick

(Pause)

Benjamin Britten – Canticle I op. 40
für Tenor und Klavier „My Beloved is Mine“
Benjamin Britten – Canticle II op. 51
für Alt, Tenor und Klavier „Abraham and Isaac“
Benjamin Britten – Canticle III op. 55
für Tenor, Horn und Klavier „Still falls the Rain“
Benjamin Britten – Canticle IV op. 86
für Countertenor, Tenor, Bariton und Klavier „Journey of the Magi“
Benjamin Britten – Canticle V op. 89
für Tenor und Harfe „The Death of Saint Narcissus“

(Ian Bostridge – Tenor, Iestyn Davies – Countertenor, Simon Keenlyside – Bariton, Stefan Dohr – Horn, Maria Tsaytler – Harfe, Julius Drake – Klavier)



Hatte ich schon einmal erwähnt, daß ich Britten liebe? Hmm, ich befürchte jedesmal, wenn der Lockenkopf Thema ist. Oder auch wenn nicht, denn ich lenke das Thema gern mal auf Britten, auch wenn seine Werke gerade nicht Bestandteil eines Programms sind. Da habe ich es in diesem Fall leichter – ein reiner Britten-Abend. Also fast, aber wir wollen mal nicht kleinlich sein.

Ein Liederabend mit Ian Bostridge (auch bei der Einführung stand der schlaksige Brite Rede und Antwort), der gleich noch ein paar Freunde im Schlepptau mitbrachte – und was für welche! Simon Keenlyside förderte mit den Songs and Proverbs of William Blake Kraft einer kaum steigerungsfähigen textlichen Identifikation Unglaubliches an Inbrunst und Ausdruck zu Tage. Dabei scheint dieser Intensitätsgrad bei ihm keine Seltenheit zu sein, wie ich bei seinem Münchner Wozzeck erleben durfte (Link). Ein wohltimbriertes Organ, das die ganze emotionale Skala von galligem Furor bis ersterbendem Flüstern abrief, die in diesem dämonisch soghaften Werk angelegt ist.

Im Zuge der folgenden Liedbearbeitungen konnte man sich erstmals von der kristallinen Qualität der wahrhaft himmlischen Stimme des Iestyn Davies einnehmen lassen. Unter seiner Mitwirkung erwies sich dann das zweite Canticle als einer der Höhepunkte eines Glücksfalls von Abends im Geiste Brittens. Gerade dieses Canticle zeigt mit seinen verschiedenen Affektminiaturen die ganze Meisterschaft des Komponisten: Die Trauer Abrahams, seinen Sohn opfern zu müssen, dessen Angst, die schließlich in zärtliche Wehmut beim Abschied der beiden mündet, um dann am Ende in grenzenlose, dankbare Freude über die Rettung umzuschlagen.

In der Einführung wurde Herr Bostridge auch danach befragt, wie er denn mit dem unausweichlichen Pears als Vorbild bzw. Bürde umzugehen pflege, was der Sänger damit beantwortete, er müsse und könne angesichts der singulären stimmlichen Eigenart des Vorgängers nur seinen eigenen Weg gehen. Und wie er ihn geht. Bostridge besitzt die Intelligenz und das Einfühlungsvermögen, die tiefsten Tiefen dieser kleinen Wunderwerke auszuloten, ihnen das Höchste abzugewinnen. Die Stimme schlank und edel, geschmeidig und wandelbar im Ausdruck.

Wie wohl stimmt – und klingt – es, daß Britten über solche Freunde verfügt, wobei ausdrücklich die Instrumentalisten des Abends, allen voran Julius Drake mit seinem butterweichen Anschlag, mit einzubeziehen sind. Der Freundeskreis seiner Tonkunst dürfte jedenfalls durch solche Darbietungen den ein oder anderen neuen Zugang zu verzeichnen haben. Die Reaktion des Publikums zumindest ermutigt, daß in diesem Fall nicht bloß der Wunsch Vater des Gedankens ist.