28. Mai 2018

The Rape of Lucretia – Ulrich Windfuhr.
Elbphilharmonie Hamburg, kleiner Saal.

19:30 Uhr, Reihe 11, Platz 13



Es ist mir schleierhaft, weshalb diese Oper auf deutschen Bühnen derart im Schatten ihrer Kammerschwester „The Turn of the Screw“ steht. So sehr mich die Geschehnisse auf Bly jedesmal aus Neue in ihren Bann ziehen – wovon allein schon die Tatsache zeugt, dass ich wohl kaum ein Musiktheaterstück häufiger live gesehen habe als dieses – muss ich mich nach dem heutigen Abend doch wieder wundern, warum „The Rape of Lucretia“ eher ein Raritäten-Dasein fristet. Wahrscheinlich liegt es doch eher an der moralisch aufgeladenen Geschichte mit ihrer christlichen Opfer-Thematik, die heutzutage den Zugang auf diese wunderschöne Musik erschwert. Denn reich an Schönheiten ist die Partitur, dabei mitunter sehr illustrativ (der Ritt zu Lucretia) und kontrastreich im Ausdruck, etwa im Wechselspiel der schroffen, groben Klangwelt im Feldlager im Gegensatz zur fast jenseitigen, lieblich-unschuldigen Sphäre Lucretias. Die Sterbeszene schließlich gehört in ihrer musikalischen Kraft und Anmut zum gleichzeitig Verstörendsten wie Anrührendsten, das Britten je schrieb und braucht sich vor ähnlichen Schlüsselstellen seiner großen Opern in ihrer Wirkung keinesfalls verstecken.

Die konzertante Darbietung durch dass Ensemble der Hochschule für Musik und Theater hatte allerdings auch wirklich nichts mit dem gemein, was man sich vielleicht unter einer Studentenaufführung vorstellt – bessere Anwälte für dieses intime Werk sind kaum denkbar. Gerade Hussain Atfah als von Eifer zerfressener, unerbittlicher Tarquinius und Luzia Tietze in der Titelpartie verkörpern ihre Rollen, jenseits stimmlicher Exzellenz, auch ganz ohne szenische Hilfsmittel mit vorbildlicher Intensität, innerhalb einer Sängerriege, die ihnen an Qualität in nichts nachstand. Einzig die Einblendung von Übertiteln wäre eine Überlegung wert gewesen, um gerade den sicher nicht wenigen Ersthörern den Werkzugang zu erleichtern. Es bleibt zu hoffen, dass weitere dieser Kammeroper-Abende im kleinen Saal folgen mögen.


The Rape of Lucretia / Oper in zwei Akten op. 37 – Benjamin Britten
Konzertante Aufführung in englischer Sprache

Lucretia – Luzia Tietze
Collatinus – Maxim Sankirov
Tarquinius – Hussain Atfah
Junius – Junggeun Choi
Lucia – Lea Bublitz
Bianca – Milena Juhl
Female Chorus – Dorothee Bienert
Male Chorus – Daniel Schliewa

Ensemble der Hochschule für Musik und Theater Hamburg
Dirigent – Ulrich Windfuhr