Claude Debussy – Le martyre de Saint Sébastien /
Sinfonische Fragmente /
Fassung für Sinfonieorchester von Désiré-Émile Inghelbrecht
(Pause)
Richard Wagner – Tristan und Isolde / Zweiter Aufzug
Münchner Philharmoniker
Martina Serafin – Sopran
Yulia Matochkina – Mezzosopran
Andreas Schager – Tenor
Miljenko Turk – Bariton
Mikhail Petrenko – Bass
Dirigent – Valery Gergiev
Der Zahnstocher-Maestro ist zurück mit einem weiteren Riesenprogramm: Zwar nicht das komplette Martyrium des Sebastian, aber zumindest die sinfonische Essenz daraus, fungiert heute lediglich als Klangfarben-Mischübung, um nach der Pause den gesamten zweiten Tristan-Akt auf die Bühne der Elbphilharmonie zu hieven. Dabei hatte der mir bis dato unbekannte Debussy an gleicher Stelle in der halbszenischen Präsentation durch die Hamburger Symphoniker (Link) bereits vor nicht ganz einem Jahr mein Interesse geweckt. Dass den Franzosen Wagner, insbesondere der Parsifal, ungeachtet aller späteren Äußerungen, nicht ganz kalt gelassen haben kann, wurde seinerzeit und heute wieder ohrenkundig.
So gehören die vier rein orchestralen Abschnitte zum Beeindruckendsten und Schönsten aus dem mir bekannten sinfonischen bzw. programmmusikalischen Schaffen Debussys – für mich persönlich angesichts der subtilen Komplexität, harmonischen Kühnheiten und Bandbreite der Stimmungen von morbide bis transzendental weitaus spannender als die ungleich häufiger gespielten Werke des Komponisten. Gergiev und seine Philharmoniker bleiben dabei ihrer Extraklasse treu, der Maestro bestätigt einmal mehr meinen Eindruck, ein besonderes Händchen für Nuanciertes, Fließendes zu besitzen.
Bezogen auf Orchesterleistung und vor allem Dirigat lässt sich diese exemplarische Qualität ebenso nach der Pause beim Tristan feststellen. Gergiev macht gleich ordentlich Tempo und portraitiert das hitzige Zusammentreffen der Liebenden wahrlich als elektrisierenden Rausch. Hier werden keine Gefangenen gemacht. Überhaupt sind die Geschlossenheit und immersive Kraft der Interpretation dieses riesigen Akt-Marathons bemerkens- und bewundernswert. Das ist keine Selbstverständlichkeit – das Schlimmste, was diesem nicht enden wollenden Konversationsstück passieren kann ist, dass es auseinanderfällt und dann langatmig wird.
Gleichzeitig steht selbst die beste Interpretation, die mitreißendste Orchesterleistung letztlich im Dienste, die Fixpunkte eben dieser Konversation bestmöglich zu unterstützen – das namensgebende (Sänger-)Paar. Brangäne ist eine berührende Rolle in ihrer Zerrissenheit als gleichzeitige Mahnerin und Komplizin, aber wenn man nach der Aufführung feststellen muss, dass Frau Matochkinas Stimme vom Ausdruck und Timbre her jene der beiden Hauptpartien übertroffen hat, ist das nicht das Beste Zeichen.
Ich schätze Herrn Schager sehr für sein klares, strahlendes Forte. Im Lied von der Erde, ebenfalls unter Gergiev, (Link) hätte ich mir die Tenorpartie kaum besser denken können, so kraftvoll, ja teilweise regelrecht scharf gegen das Schicksal ansingend. Für den Tristan, gerade den zweiten Akt und seine überirdische Zauberwelt der „Nacht der Liebe“, besitzt Schager jedoch nicht die nötige Wärme und Verletzlichkeit in der Stimme. Gleiches möchte ich zumindest in Teilen auch der insgesamt tadellos agierenden Frau Serafin unterstellen.
Es hat sich heute wieder bewahrheitet, dass diese Partitur mit seinen Partien nicht nur auf inhaltlicher, philosophischer Ebene Übermenschliches zu behandeln sucht, sondern dabei in gewisser Weise unmenschliche Wege geht, gehen muss. Auch Mikhail Petrenko ist erfahrungsgemäß ein wunderbarer Bass – wenn man jedoch ein- (oder gar zweimal) René Pape als König Marke erleben durfte, ist man wohl zeitlebens für diese Rolle verdorben.
Womit ich wieder einmal im Reich der Gedankenspiele angekommen wäre. Gibt es sie überhaupt – die ideale Isolde, den idealen Tristan? Hat es sie je gegeben? Wie sehr verklärt man Windgassen, Nilsson & Co. im heimischen Tonträger-Mausoleum? Ich weiß es nicht. Was ich weiß bzw. feststellen muss, dass ich mich bereits live dieser Utopie einer Vollendung des Vollendeten durchaus näher gefühlt habe, sei es in München (Link), sei es in Bayreuth (Link).
Inwiefern die Lebendigmachung des Stoffes auf der ihm angestammten Opernbühne dazu beigetragen haben mag, lässt sich nachträglich kaum bemessen. Das ist auch unerheblich. Was zählt ist, dass auch an diesem heutigen Abend das Versprechen gegeben wurde, das Bestmögliche im Dienste eines der größten Werke überhaupt zu geben. Darüber lässt mich auch seine („nur“) teilweise Einlösung mit der alles andere als einfach zu greifenden Mischung aus Verzückung und Verwundung in meinen Sessel sinken.
Yulia Matochkina – Mezzosopran
Andreas Schager – Tenor
Miljenko Turk – Bariton
Mikhail Petrenko – Bass
Dirigent – Valery Gergiev
Der Zahnstocher-Maestro ist zurück mit einem weiteren Riesenprogramm: Zwar nicht das komplette Martyrium des Sebastian, aber zumindest die sinfonische Essenz daraus, fungiert heute lediglich als Klangfarben-Mischübung, um nach der Pause den gesamten zweiten Tristan-Akt auf die Bühne der Elbphilharmonie zu hieven. Dabei hatte der mir bis dato unbekannte Debussy an gleicher Stelle in der halbszenischen Präsentation durch die Hamburger Symphoniker (Link) bereits vor nicht ganz einem Jahr mein Interesse geweckt. Dass den Franzosen Wagner, insbesondere der Parsifal, ungeachtet aller späteren Äußerungen, nicht ganz kalt gelassen haben kann, wurde seinerzeit und heute wieder ohrenkundig.
So gehören die vier rein orchestralen Abschnitte zum Beeindruckendsten und Schönsten aus dem mir bekannten sinfonischen bzw. programmmusikalischen Schaffen Debussys – für mich persönlich angesichts der subtilen Komplexität, harmonischen Kühnheiten und Bandbreite der Stimmungen von morbide bis transzendental weitaus spannender als die ungleich häufiger gespielten Werke des Komponisten. Gergiev und seine Philharmoniker bleiben dabei ihrer Extraklasse treu, der Maestro bestätigt einmal mehr meinen Eindruck, ein besonderes Händchen für Nuanciertes, Fließendes zu besitzen.
Bezogen auf Orchesterleistung und vor allem Dirigat lässt sich diese exemplarische Qualität ebenso nach der Pause beim Tristan feststellen. Gergiev macht gleich ordentlich Tempo und portraitiert das hitzige Zusammentreffen der Liebenden wahrlich als elektrisierenden Rausch. Hier werden keine Gefangenen gemacht. Überhaupt sind die Geschlossenheit und immersive Kraft der Interpretation dieses riesigen Akt-Marathons bemerkens- und bewundernswert. Das ist keine Selbstverständlichkeit – das Schlimmste, was diesem nicht enden wollenden Konversationsstück passieren kann ist, dass es auseinanderfällt und dann langatmig wird.
Gleichzeitig steht selbst die beste Interpretation, die mitreißendste Orchesterleistung letztlich im Dienste, die Fixpunkte eben dieser Konversation bestmöglich zu unterstützen – das namensgebende (Sänger-)Paar. Brangäne ist eine berührende Rolle in ihrer Zerrissenheit als gleichzeitige Mahnerin und Komplizin, aber wenn man nach der Aufführung feststellen muss, dass Frau Matochkinas Stimme vom Ausdruck und Timbre her jene der beiden Hauptpartien übertroffen hat, ist das nicht das Beste Zeichen.
Ich schätze Herrn Schager sehr für sein klares, strahlendes Forte. Im Lied von der Erde, ebenfalls unter Gergiev, (Link) hätte ich mir die Tenorpartie kaum besser denken können, so kraftvoll, ja teilweise regelrecht scharf gegen das Schicksal ansingend. Für den Tristan, gerade den zweiten Akt und seine überirdische Zauberwelt der „Nacht der Liebe“, besitzt Schager jedoch nicht die nötige Wärme und Verletzlichkeit in der Stimme. Gleiches möchte ich zumindest in Teilen auch der insgesamt tadellos agierenden Frau Serafin unterstellen.
Es hat sich heute wieder bewahrheitet, dass diese Partitur mit seinen Partien nicht nur auf inhaltlicher, philosophischer Ebene Übermenschliches zu behandeln sucht, sondern dabei in gewisser Weise unmenschliche Wege geht, gehen muss. Auch Mikhail Petrenko ist erfahrungsgemäß ein wunderbarer Bass – wenn man jedoch ein- (oder gar zweimal) René Pape als König Marke erleben durfte, ist man wohl zeitlebens für diese Rolle verdorben.
Womit ich wieder einmal im Reich der Gedankenspiele angekommen wäre. Gibt es sie überhaupt – die ideale Isolde, den idealen Tristan? Hat es sie je gegeben? Wie sehr verklärt man Windgassen, Nilsson & Co. im heimischen Tonträger-Mausoleum? Ich weiß es nicht. Was ich weiß bzw. feststellen muss, dass ich mich bereits live dieser Utopie einer Vollendung des Vollendeten durchaus näher gefühlt habe, sei es in München (Link), sei es in Bayreuth (Link).
Inwiefern die Lebendigmachung des Stoffes auf der ihm angestammten Opernbühne dazu beigetragen haben mag, lässt sich nachträglich kaum bemessen. Das ist auch unerheblich. Was zählt ist, dass auch an diesem heutigen Abend das Versprechen gegeben wurde, das Bestmögliche im Dienste eines der größten Werke überhaupt zu geben. Darüber lässt mich auch seine („nur“) teilweise Einlösung mit der alles andere als einfach zu greifenden Mischung aus Verzückung und Verwundung in meinen Sessel sinken.