30. Januar 2019

Philharmonia Orchestra – Paavo Järvi.
Elbphilharmonie Hamburg.

20:00 Uhr, Etage 12, Bereich A, Reihe 9, Platz 2



Ludwig van Beethoven – Ouvertüre c-Moll zu »Coriolan« op. 62
Sergej Prokofjew – Konzert für Violine und Orchester Nr. 1 D-Dur op. 19 (Hillary Hahn)

Zugabe Solistin:
Johann Sebastian Bach – Sonate Nr. 2 a-Moll BWV 1003 für Violine solo / Andante

(Pause)

Sergej Rachmaninow – Sinfonie Nr. 2 e-Moll op. 27

Zugabe Orchester:
Jean Sibelius – Valse triste op. 44/1 / Kuolema



Wenn es so etwas wie eine Allzweckwaffe auf dem Podium gibt, dann wohl in Gestalt Paavo Järvis. Der sympathische Este hat wirklich ein Händchen für eigentlich jedes Repertoire, sei es der strenge Beethoven, für den er mit seinen Bremern zu Recht so gefeiert wird (auch sein extrem knackiger Brahms (Link) passt dazu) oder der üppige Rachmaninow – erst Recht, wenn er eine Weltklassetruppe wie das Philharmonia Orchestra aus London dirigiert.

In der Coriolan-Ouvertüre überträgt sich die extreme Körperspannung Järvis nahtlos auf seine Mitmusiker. Grimmiger und bärbeißiger kann man Beethoven nicht stürmen und drängen lassen, immer wieder weich kontrastiert durch das lyrische Seitenthema, ohne dass der unbeirrbare Strom dadurch abrisse.

Die dritte Darbietung des Prokowjew-Konzerts in der Elbphilharmonie – lustigerweise hatte das Philharmonia Orchestra dieses auch bei seinem letzten Besuch (Link) im Gepäck – brachte wiederum neue Facetten des Stücks zum Vorschein. Schätzte ich bei Pekka Kuusisto/Esa-Pekka Salonen gerade das kantig-expressive Moment und war ich von der Interpretation durch Frank-Peter Zimmermann/Urbanski eher gelangweilt, so ergab sich heute im Wechselspiel Hahn/Järvi eine im Vergleich zum ersten Philharmonia-Konzert viel rundere, epischere, dabei nicht minder spannungsvolle Lesart. Hillary Hahn hat mir wirklich sehr gut gefallen, lupenreiner Ton, eher romantischer Ansatz, aber nicht kitschig. Dass sie als Zugabe wieder einmal den fast schon obligatorischen Bach brachte, konnte ich ihr angesichts eines Vortrags, der zu Tränen rührte, nicht verdenken.

Ähnliches gelang Herrn Järvi dann spätestens im großen Adagio der Rachmaninow-Sinfonie. Was soll man da noch groß sagen bzw. schreiben? Wenn man auf diesem Parkett-Platz im Epizentrum der sich in Sehnsucht aufstauenden, vor Herzschmerz zerfließenden Wogen nicht mitgenommen wird, gibt es wohl keine musikalische Rettung mehr. Ist das nicht Kitsch? Nennt es, wie ihr wollt, es macht in jedem Falle süchtig. Spannend für mich dabei mit einem wachen Ohr zu lauschen, warum ich diese Musik so mag, während sich das andere dem Rausch hingibt. Gemein gesagt ist dieses Adagio eine perfekte Symbiose aus Karfreitagszauber und Bruckner-Bögen – was soll ich dieser Kombination schon entgegen setzen? Das Philharmonia Orchestra für seine Technik und Klangfarbenvielfalt zu loben, ist fast ein wenig albern. Sie können es einfach. Also alles.

Und wie schon 2017 beschließen die Gäste mit dem Valse triste das Konzert. Ein kleines, duftiges, leicht wehmütiges Lebwohl nach den Eruptionen der großen Sinfonie und der perfekte Ausklang eines perfekten Abends.